Nahe dem oder nahe des? Die Genitiv-Falle

Nahe dem oder nahe des? Fernglas

Um es gleich vorwegzunehmen: Die Präposition „nahe“ verlangt den Dativ, ohne Wenn und Aber. Praktisch heißt das zum Beispiel: „Das Haus liegt nahe dem Fluss“ oder „Ich wohne nahe dem Stadtzentrum.

Warum lesen wir dann aber (in meiner Wahrnehmung in zunehmendem Ausmaß!) in vielen Medien Sätze wie „Die Baustelle liegt nahe des Flughafens“ oder „Der Angriff geschah nahe des Regierungsviertels.

Die Erklärung: „Nahe“ wird wahrscheinlich deshalb von vielen Menschen zusammen mit dem Genitiv verwendet, weil man dabei an „Nähe“ denkt. Etwas, was nah am Stadtzentrum liegt, liegt folglich (und grammatisch völlig korrekt!) „in der Nähe des Stadtzentrums“. Es ist also einigermaßen logisch, dass es auch „nahe des Stadtzentrums“ heißen sollte. Nur ist die deutsche Sprache eben nicht logisch… seufz.

Richtig ist tatsächlich „nahe dem Stadtzentrum“, genauso wie „nahe dem Nervenzusammenbruch“.

Und auch, wenn das betreffende Wort keinen Artikel hat, wie z. B. „Berlin“, bleibt es im Dativ – auch wenn man das dann nicht sieht, etwa in dem Satz „Potsdam liegt nahe Berlin.

Generell wird die Wendung „nahe“ dem gehobenen Sprachgebrauch zugeordnet. Wenn ein Text eher informell geschrieben ist, würde ich in einem Standardlektorat den Ausdruck „nahe Berlin“ daher wahrscheinlich ohnehin ändern in „bei Berlin“ oder „in der Nähe von Berlin“. Alles besser als der Genitiv!

ACHTUNG: Der Duden ist kompromissbereit und erlaubt die Verwendung „nahe des…“, schränkt aber ein, dass dies „selten“ geschehe. Ich persönlich habe diesen Eindruck ja nicht…